Eine globale Bewegung für Bildungsgerechtigkeit?
Machen wir!
Seit unserer Gründung vor über 10 Jahren ist Teach First Deutschland Teil des weltweiten Netzwerks Teach For All. Dessen Erfolge auf sechs Kontinenten sind dabei genauso bemerkenswert wie seine Entstehungsgeschichte.
„Bildungssysteme sind wie Eisblöcke.
Statt das Eis an vielen unterschiedlichen Stellen abbrechen zu wollen, bewegen wir sie gemeinsam, indem wir durch unsere tägliche Arbeit nach und nach ihren Aggregatzustand verändern.“
Wendy Kopp, CEO und Gründerin von Teach For All
Wenn aus einem Gedanken ein Netzwerk wird – wie alles begann
Wie lässt sich der weltweiten Bildungskrise effektiv beikommen? Was tun gegen den globalen Lehrkräftemangel? Und: Wie können wir Kinder und Jugendliche fit für die Zukunft machen? Mit solchen Fragen beschäftigte sich die Leadership-Expertin Wendy Kopp schon seit über 30 Jahren. 1989 gründete sie Teach For America mit einer innovativen Idee: Wäre es nicht besser, anstatt als Trainee nach dem Studium zwei Jahre in die Wirtschaft zu gehen, sich für einen Job mit Sinn zu entscheiden und für mehr Bildungsgerechtigkeit zu kämpfen? Denn für Wendy war klar: Die Bildungskrise ist vor allem auch eine Leadershipkrise, die nicht alleine durch mehr Personal überwunden werden kann. Ihr Plan: die besten Köpfe an Schule an Schulen in schwieriger Lage bringen, deren Schüler:innen Gefahr laufen, den Anschluss zu verlieren. 2007 baute Wendy gemeinsam mit dem Gründer von Teach First UK, Brett Wigdortz, das globale Netzwerk Teach for All auf. Damit erfüllten die beiden auch den Wunsch vieler gesellschaftlich engagierter Entrepreneur:innen weltweit, die in ihren Ländern die Bildungsbedingungen verbessern und zu einer Bewegung wachsen wollten.
Aktuell arbeiten jedes Jahr über 13.000 Fellows von Teach For All mit rund einer Million Kindern zusammen. Zugleich setzen sich 90.000 Alumni:ae auf der ganzen Welt in der Schule, in eigens gegründeten Bildungsinitiativen, Politik und Wirtschaft dafür ein, dass jedes Kind die Chance auf gerechte Bildung erhält.
Aus Gedanken kann etwas Großes werden – das hat Teach For All seit seiner Gründung vielfach unter Beweis gestellt. Und das sollen auch Kinder und Jugendliche in den Schulen erfahren. Täglich stellen wir uns im Netzwerk die Frage, wie wir den Aggregatzustand unserer Bildungssysteme gemeinsam weiter verändern können und lernen dabei kontinuierlich voneinander. Denn das macht Leadership für uns aus: die Verantwortung für Veränderung zu übernehmen und die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass jedes Mitglied der Gesellschaft, losgelöst von seinen oder ihren Startbedingungen, dazu befähigt wird, an diesen Prozessen teilzuhaben. Interview mit Wendy Kopp.
Teach For All – in Zahlen & Fakten
Weltweit begleiten Fellows mehr als 1.000.000 Kinder und Jugendliche.
Was uns weltweit ausmacht: unsere Grundsätze
61 Organisationen haben eine gemeinsame Vision: Wir setzen uns für eine Welt ein, in der alle Kinder durch den Zugang zu Bildung die Unterstützung und Möglichkeiten erhalten, ihr volles Potenzial zu entfalten. Durch Collective Leadership in Gemeinden, Schulen und Bildungssystemen legen wir die Basis dafür, dass Kinder ihre Potenziale entfalten können.
Die einzelnen Organisationen setzen bei ihrer Arbeit unterschiedliche Schwerpunkte, teilen aber über Grenzen hinweg fünf programmatische Grundsätze:
Wir wollen möglichst die besten Absolvent:innen mit entsprechenden Kernkompetenzen finden. Als Fellows machen sie Schüler:innen stark für die Zukunft und bewirken überdies als Alumnae:i systemische Veränderungen.
Wir bilden angehende Fellows gründlich aus und begleiten sie, sodass sie die nötigen Kompetenzen, also Wissen, Denkweisen und Können, für die optimale Unterstützung von Schüler:innen erwerben.
Zwei Jahre lang sind Fellows an Schulen mit besonders hohem Bedarf tätig. In vielen Ländern bleiben Fellows nach Abschluss ihres Einsatzes als Lehrkräfte an Schulen.
Ein Alumni:ae-Netzwerk mit sektorenübergreifenden Expertisen unterstützt Fellows an Schulen bei der Schaffung chancengerechter Bildungssysteme für Kinder und Jugendliche.
Kurzfristig steigern wir die akademischen Leistungen der Schüler:innen, langfristig bilden wir vermehrt Alumni:ae zu Bildungstransformator:innen aus.
Teach For All forscht: Unterrichten als „Collective Leadership“
Um die Systeme, die Kinder bislang ausbremsen, neu zu gestalten, müssen viele Menschen viele Lösungen entwickeln und auf allen Ebenen zusammenarbeiten – in Schulen, in der Regierung und in der Zivilgesellschaft. Diese Zusammenarbeit verstehen wir als „Collective Leadership“.
Das Teach-For-All-Netzwerk trägt dazu bei, indem wir in unseren Partnerregionen und -Partnerschulen mit Fellows und Alumnae:i ein Netzwerk aus Führungspersönlichkeiten entwickeln, das gemeinsam darauf hinwirkt, dass alle Kinder die Bildung, Unterstützung und Chancen erhalten, die sie benötigen, um eine bessere Zukunft gestalten zu können.
Warum brauchen wir Collective Leadership?
Die Kinder von heute werden eine herausfordernde Welt erben. Um eine gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft zu erschaffen, müssen sie mit Unsicherheit umgehen, komplexe Probleme gemeinsam lösen und zukunftsfähige berufliche Perspektiven in einem sich stetig verändernden wirtschafltlichem Umfeld entwickeln.
Und doch erleben zu viele Kinder Bildungssysteme, die...
…entwickelt wurden, um eng definierte akademische Ziele zu erreichen – manchmal auf Kosten anderer wichtiger Ziele für eine selbstbestimmte Persönlichkeitsentwicklung
…die entscheidende Bedeutung von Gemeinschaftswerten und Selbstbestimmtheit für die Potenzialentfaltung von Schüler:innen nur als nachrangig erachten
…die aktuellen Erkenntnisse aus der Bildungsforschung nicht anwenden.
Wie wirkt sich Collective Leadership in der Praxis aus?
Eine weltweite Lehr- und Lerntrainingsstudie ist der erste Beitrag unseres globalen Forschungsteams, um anwendungsgestützt zweierlei in Erfahrung zu bringen:
- Wie lassen sich Lehrkräfte, die sich mit dem Ansatz des Programms „Teaching as Collective Leadership“ (TACL) vertraut machen, am besten unterstützen?
- Wie kann durch Lehrkräfte auch die Entwicklung von Schüler:innen zu Führungspersönlichkeiten gezielt gefördert werden?
Neuigkeiten aus dem Netzwerk
Empowerment vor Ort: Stimmen aus dem Netzwerk
Mittlerer Osten & Nordafrika
Klimabildung als Chance
„Der Klimawandel ist vom Menschen gemacht. Er kann – und muss – auch durch den Menschen wieder gestoppt werden.“
Ahmad El Baghdadi, Fellow von Teach For Lebanon, Lennart Kuntze, Leiter des Bereichs Climate Education & Leadership bei Teach For All, und Reem Marto, Leiter der Region Mittlerer Osten/Nordafrika (MENA) bei Teach For All, haben sich über Möglichkeiten ausgetauscht, wie die MENA-Länder in puncto Klimabildung eine Führungsrolle übernehmen könnten. Sie fragten sich im Zuge dessen, was nötig sei, um diese wichtige Gelegenheit erfolgreich zu nutzen.
Österreich & Estland
Austausch gefragt
„Teil des Teach For All-Netzwerks zu sein, bringt eine Vielzahl an Möglichkeiten zum Austausch mit anderen Organisationen mit sich.“
Verena Hohengasser, Felix Stadler, Patrick Svensson-Jajko und 12 andere Alumni:ae, Fellows und Kolleg:innen von Teach For Austria wurden im Mai 2022 herzlich von ihren estnischen Kolleg:innen willkommen geheißen. Zuvor hatten sie bereits Teach First UK, Teach First Deutschland, Empieza por Educar (Spain) und Teach First Israel besucht.
Bangladesch
Sozialkompetenz gezielt ausbilden
„Wir bilden Jugendliche in genau den Fertigkeiten aus, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind. Zu den Sozialkompetenzen, die wir aktuell trainieren, zählen sichere Verhandlungsführung, Kommunikationskompetenzen sowie Präsentationstechniken.“
Als Lehrer in einem einkommensschwachen Stadtteil von Dhaka kennt Arnob K. Saha, Alumnus von Teach For Bangladesh, Schüler:innen und ihre Familien sehr gut. Es hat ihn für die vielen Faktoren sensibilisiert, die die Vermittelbarkeit junger Leute in Bangladesch beeinflussen. Er fand heraus, dass es vielen Studierenden und sogar Hochschulabsolvent:innen an genau den Sozialkompetenzen mangelt, die Unternehmen vor Ort von Bewerber:innen erwarten.
Globaler Süden
Frauen und Mädchen im Fokus der Entwicklung
„Lokalisierung kann nur gelingen, wenn Frauen und Mädchen im Mittelpunkt stehen“,
sagt Vongai Nyahunzvi, Chief Network Officer bei Teach For All. Der internationale Entwicklungssektor, so Nyahunzvi, habe zu verstehen begonnen, wie wichtig Lokalisierung
– sozusagen die Umkehr von Globalisierung, nämlich die Anpassung an den Bedarf vor Ort – für die nachhaltige, wertschöpfende Entwicklung ist. Jetzt sollte er möglichst auch rasch erkennen, wie wichtig es ist, Frauen und Mädchen, die vielfach das Rückgrat in weiten Teilen der Gesellschaft bilden, dabei ins Zentrum zu rücken.